Simplicissimus

Simplicissimus_HundEinleitung:

“1896 riefen  Albert Langen und Thomas Theodor Heine (TTH) in München den Simplicissimus ins Leben, eine politisch-satirische Wochenschrift, die herausragende Bedeutung für das Wilhelminische Deutschland gewinnen sollte. Groß war ihr Einfluß auf das Denken und Fühlen der damaligen Leserschaft. In seinen besten Zeiten hatte der Simplicissimus über 50000 Abonnenten, und seine Durchschnittsauflage bewegte sich 1904 bereits um 85000 Exemplare, eine für die damalige Zeit erstaunliche Zahl”. (Georg Müller Verlag)

Der Simplicissimus stellte 1944 sein Erscheinen ein. Er wurde in München durch O. Iversen 1954 wiedergegründet; 1967 erneut eingestellt.

 

“Warum müass´n denn die jungen Geistlichen gar so lang studieren, bis sie das bißl Predigen los krieg´n?” - “Ja, woaßt, `s predigen wär´ das wenigste, das hab´ns bald los, aber bis s´ eahna bißl Vernunft los hab´n, dös dauert so lang.”

Die Kirche hat einen guten Magen
“Sie wollen also Ihr Vermögen der Kirche vermachen; daran tun Sie wohl, mein Sohn, damit bauen Sie sich einen Tempel zum Himmel! Wieviel ist es denn?” - “Ach, Hochwürden, es wären achzigtausend Mark; wenn i nur mein Seel´nheil retten könnt´; aber es ist halt lauter erwuchertes Geld!” - O mein Freund, es ist mehr Freude im Himmel über die Bekehrung eines einzigen schweren Sünders als über zehn Gerechte!”

Kunstprotz
Bankier (der einen Philosophen durch sein Schloß geführt hat): “Nun, wie finden Se meine Behausung? Is es nich ä Palast?” - Der Philosoph (der an Katarrh leidet): Haben Sie sonst noch ein Zimmer?” - Der Bankier: “Zwanzig Gemächer, sind das nicht genug? Und alle künstlerisch ausgestattet!” Der Philosoph (sich räuspernd): “Ich habe selten etwas so Künstlerisches gesehen.” (Er spuckt dem Bankier ins Gesicht.) - Bankier: “Warum spucken Se mir ins Gesicht?” - Der Philosoph: “Weil ich hier keine andere Stelle sehe, um die es nicht schade währe, wenn man darauf spuckte.”

Leserzuschrift: Lieber Simplicissimus!
Ein bekannter skandinavischer Autor erhilt von einem deutschen Verleger einen Brief, in dem er ihn um Autorisation bat, sein letztes so hochbedeutendes Werk übersetzen und verlegen zu dürfen. “Aber,” schreibt der Verleger, “ein Honorar kann ich ihnen nicht anbieten, - es ist eben nur der Ehre halber.” -
Der Autor antwortet darauf unter anderem folgendes: “ Es ist wirklich komisch. Wir Schriftsteller schreiben, um Geld zu verdienen, und die Verleger publizieren unsere Werke der Ehre halber. Sind sie aber erst gedruckt, dann wird es in der Regel umgekehrt: die Verleger haben das Geld und wir die Ehre.”

Unterricht
Das Fräulein Gouvernante hat vom Schutzengel gesprochen, der die Kinderlein vor allem Leid und vor Gefahr behütet und bewahrt. Nun will sie es durch ein Beispiel noch deutlicher machen.
“Also Fritzchen: wenn du auf einen hohen Baum steigst und du fällst herab, ohne dir einen Schaden zu tun, nun, was ist das?”
“... Das ist ... Glück!”
“Aber, du weißt doch, daß es kein sogenanntes `Glück´ gibt. Also denk dir, du steigst nochmals auf den Baum und fällst wieder herab und bleibst wieder ganz heil; nun wie erkläre ich mir das.”
“... Das ist Zufall.”
“Aber, Fritzchen, ich hab´ dir doch gesagt, daß es im Leben auch keinen `Zufall´ gibt. Denk noch ein bißchen nach. Wenn du nun zum dritten Mal von dem hohen Baum unversehrt herunterfällst?”
“... Das ist ... Übung!”

An der Table d´hôte ist bereits der Fisch serviert, ein Gast jedoch, ein ernster Herr, sitzt stumm vor seiner Suppe.
Der Oberkellner, umsichtig wie er sit, tritt herzu und fragt: “Die Suppe ist wohl noch zu warm mein Herr?”
Der ernste Herr räuspert sich und entgegnet hierauf nicht ohne Strenge: “Im Gegenteil.”
Das Rostbeef macht die Runde; aber noch immer hat der Gast seine Suppe nicht angerührt.
“Lieben der Herr vielleicht Krebssuppe nicht?” fragt der Oberkellner. “In diesem Fall steht dem Hernn ohne weiteres Bouillon zu Diensten.”
Der Herr beginnt mit den Fingern leicht auf das Tischtuch zu trommeln und bemerkt: “Ich liebe Kebssuppe ganz außerordentlich.” “Aber darf ich mir dann die Frage erlauben, warum der Herr nicht essen? ... Die anderen Gerichte werden ja kalt.”
“Warum ich meine Suppe nicht esse? - Ich habe keinen Löffel.”

Leserzuschrift: Lieber Simplicissimus!
Herr Meier, stud.jr., wollte zu früher Morgenstunde seinen Freund Schmidt aufsuchen. Schmidt war Kandidat der Theologie.  Er fand ihn jedoch nicht zu Hause, und das Dienstmädchen, das gerade mit Aufräumen beschäftigt war, sagte ihm, Herr Schmidt sei schon in aller Frühe fort, er habe sich beim Militär stellen müssen.
Er knüpfte ein Gespräch mit ihr an, und sie tat alle möglichen Fragen, wie das denn sei mit dem Militär und wie es bei der Stellung zugehe. Als er ihr erzählte, daß man sich dort ausziehen und untersuchen lassen müsse, geriet sie plötzlich in heftige Aufregung: “Jessas Maria, dös wenn i g'wußt hätt'! Der arme Herr Schmidt! Dö Schand', dö Schand'!"
Dann setzte sie sich hin und fing an zu weinen. ,Na, mein Gott, so schlimm ist's denn doch nicht. Es istja gewiß nicht angenehm, sich vor so vielen Leuten ausziehen zu müssen, aber die andern müssen's ja auch." ja, dös glaub' i scho  aber um Gotteswillen, der geistliche Herr tragt ja scho seit am Vierteljahr meine Unterhosen und von rot'n Flanell san's aa no!"

Leserzuschrift: Lieber Simplicissimus!
"Papa, wem gehört dieser Park?" "Uns, mein Sohn," antwortete der Vater. "Uns, dem Volke. Als ein Teil des Volkes, Fritz, haben wir das Recht, uns als Eigentümer zu betrachten. Die Souveränität des Volkes... "
"He, Sie da!" unterbrach ihn eine barsche, rauhe Stimme",machen Sie, daß Sie sofort von dem Gras 'runterkommen, oder ich arretiere Sie." Die Stimme gehörte einem Schutzmann. Zu seinem Leidwesen mußte Fritz konstatieren, daß Papa wieder einmal gelogen hatte.

Der gute Ton
“Wie gesagt, gnädige Frau, ich bin überzeugt, diese volkswirtschaftlichen Fragen würden auch Sie interessieren.Die Lebensweise des Arbeiters zum Beispiel...” - Bitte, Herr Professor, wir sind beim Essen.”

Freudiges Ereignis im Herrscherhause
“Was, schon wieder ein Mädel?” - “Ja, Hoheit werden sich wohl noch einmal bemühen müssen.”

Dafür kann de Polizei nich!
Schutzmann: "Wer hat denn den Mann da so schrecklich zujerichtet?"  "Überfahren von einem Wagen, der wie rasend fuhr."
Schutzmann:"Welche Nummer? Den Kerl werd ick mir mal ordentlich koofen."
"Die Nummer weiß ich nicht, ein Leutnant saß drin."
Schutzmann: “Ja, da muß so'n alter Mann besser Obacht jeben."

Winter 1897/98
"S'ist doch scheußlich mit diesem Winter, kein Eis, keine Schlittenfahrt, gar nichts möglich, wirklich traurig!"  Nun, dafür tut sich der kleine Mann und Arbeiter leichter, der bei dieser Witterung sein Brot nicht verliert!" - “Ja, ja! Das Gesindel glaubt gar nicht, was man ihm für Opfer bringt!"

Leserzuschrift: Lieber Simplicissimus!
Bei der Durchreise durch eine kleine Stadt besucht Durchlaucht auch das dort befindliche Gefängnis und läßt sich einige der Inhaftierten vorführen. Die Leute sitzen meist wegen kleinerer Vergehen, hauptsächlich wegen Diebstahls von Feldfrüchten; denn die Gegend ist sehr arm, und im Winter muß die Arbeiterbevölkerung oft frieren und hungern.
Es fällt Durchlaucht auf, daß fast alle auf die Frage, weshalb sie bestraft worden sind, zur Antwort geben: "Wegen Diebstahls!" und so beginnt er endlich auch zu fragen: “Ja, mein Sohn, weshalb, äh ...  weshalb hat man denn gestohlen?"
"Frau und Kinder hatten Hunger," erwiderte fast einjeder, "sonst hätte ich es nicht getan." Durchlaucht schüttelt den Kopf, und als sie das Gefängnis verlassen, wendet sich der Fürst an seinen Begleiter: "Hm, wirklich sehr merkwürdig das, sehr merkwürdig, meint Er nicht auch? ... Wenn man Hunger hat, ißt man doch, aber man stiehlt nicht! Wirklich merkwürdig, sehr merkwürdig!"

Leserzuschrift: Lieber Simplicissimus!
Leider hat man bei dem jungen Erbprinzen eine abnorme Schädelbildung feststellen müssen. Ein Konsilium von Ärzten befindet sich gerade bei ihm zur endgültigen Untersuchung. Der Fürst harrt bangend im Nebengemach. Endlich erscheinen die Herren: "Königliche Hoheit  es tut uns leid, aber es läßt sich nicht mehr vermeiden, wir müssen leider konstatieren, die Gehirnbildung bei seiner Königlichen Hoheit dem Erbprinzen  es ist fast mit Bestimmtheit anzunehmen, daß er nie zu völliger, geistiger Helligkeit..."
Der Fürst: "Aber regieren wird er doch können?"
Alle, einstimmig: “Jaawoohl, Königliche Hoheit."

Machtbewußtsein
Besitzer einer großen liberalen Tageszeitung (der in einem Dorfwirtshaus eingekehrt ist): "Es ist doch im ganzen Lande bekannt, daß ich nur Sekt trinke - und Sie kommen mir mit Bier daher! Mensch, was erfrechen Sie sich! Wissen Sie denn nicht, wer ich bin, und daß ich Sie vernichten kann?! Ich bin die öffentliche Meinung!"

An der Grenze
"Mein Koffer ist aber zujeschnürt. Übrijens jebe ich Ihnen mein Ehrenwort, daß nichts Zollpflichtiges drin is." - “Tut mir unendlich leid, dann bin ich gezwungen, die Verschnürung aufzuschneiden." - "Na, erlauben Se mal: Wenn Ihnen 'n preuß'scher Leutnant sein Ehrenwort gibt, is das so jut wie aufjeschnitten."

Viele weitere bissige Zeitgeist-Witze finden sich in:
“Simplicissimus - Humor
Die besten Witze aus den Jahrgängen 1896-1898”
Langen Müller
Georg Müller Verlag GmbH
ISBN: 3-7844-2019-2
Folgebände sind in Planung.